In der Integrativen Kognitiven Verhaltenstherapie (IKVT) betrachten wir emotionale Probleme als das Ergebnis von bestimmten Denkmustern und Überzeugungen, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben. Diese Denkmuster beeinflussen unsere emotionalen Reaktionen auf verschiedene Situationen. Doch wie entstehen diese Denkmuster und wie können sie unsere Emotionen steuern?
Die Rolle der Kognitionen
Emotionen entstehen nicht direkt durch die äußere Situation, sondern durch unsere inneren Gedanken und Überzeugungen. Diese Kognitionen können alle Sinnesmodalitäten umfassen, wie z.B. akustische, visuelle oder taktile Reize, sowie Erinnerungen, Fantasien und moralische Überzeugungen. Sie betreffen sowohl bewusste als auch unbewusste Prozesse.
Denkstile und ihre Auswirkungen
Unsere Denkstile sind individuelle Arten und Weisen, wie wir Situationen interpretieren und bewerten. Diese Denkstile können von psychischen Problemen geprägt sein und sich in verschiedenen kognitiven Verzerrungen äußern, wie etwa dem Bagatellisieren oder Übertreiben von Ereignissen. Sie fungieren oft als Coping-Strategien, die unsere emotionalen Reaktionen aufrechterhalten und verstärken.
Konzepte und ihre Entstehung
Konzepte sind tief verinnerlichte Überzeugungen und Normen, die unser Verhalten und unsere Entscheidungen steuern. Diese können aus frühkindlichen Erfahrungen, sozialen Einflüssen oder sogar aus unserer Erziehung stammen. Konzepte wie „Man muss immer perfekt sein“ oder „Schwäche zeigen ist verboten“ können uns im Alltag beeinflussen und emotionale Probleme verursachen, besonders wenn sie durch aktuelle Lebensumstände herausgefordert werden.
Ein Beispiel verdeutlicht dies:
Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich in einem Café. Neben Ihnen sitzt ein unbekannter Mann. Als eine Frau hereinkommt, stellt der Mann einen frischen Cappuccino vor ihr ab und verlässt den Tisch, ohne ein Wort zu sagen. Die Frau schaut verwirrt und ärgerlich auf den Becher, schiebt ihn wütend zurück und verlässt das Café.
Einige Minuten später kommt eine andere Frau hinein, und der Mann wiederholt sein Verhalten. Diese Frau reagiert schüchtern und peinlich berührt. Sie nimmt den Cappuccino, murmelt ein leises „Danke“ und eilt aus dem Café.
Dann kommt eine dritte Frau herein. Der Mann stellt ihr erneut einen Cappuccino hin. Diese Frau lächelt erfreut, nimmt den Becher an und bedankt sich herzlich bei ihm.
Schließlich betritt eine vierte Frau das Café. Der Mann stellt ihr den Kaffeebecher hin, und sie schaut ihn mit Mitgefühl an, schüttelt den Kopf und geht weiter, ohne den Becher anzufassen.
Bewertung der Frauen in dieser Analogie:
- Frau 1: „Es gibt Leute, die versuchen, Aufmerksamkeit oder Zuneigung durch unaufgeforderte Geschenke wie diesen Cappuccino zu kaufen. Solche Menschen sehen uns Frauen vielleicht nicht als gleichwertig an, sondern als das schwächere Geschlecht, das leicht zu beeinflussen ist. Indem er mir einfach einen Becher hinstellt, macht er mich zu einer Art Wohltätigkeitsprojekt oder gar zu jemandem, der als käuflich gehalten wird. Das ist erniedrigend und ich wehre mich dagegen.“
- Frau 2: „Es gibt Menschen, die versuchen, ihre Aufmerksamkeit durch Geschenke wie diesen Cappuccino zu zeigen. Vielleicht denkt der Mann, dass ich besonders viel Bedürftigkeit ausstrahle, wenn ich solch ein Geschenk annehme. Das ist peinlich für mich und lässt mich in einem schlechten Licht erscheinen. Ich nehme den Becher lieber an und verschwinde schnell, um nicht weiter im Mittelpunkt zu stehen.“
- Frau 3: „Es gibt Menschen, die durch Geschenke wie diesen Cappuccino versuchen, Freundlichkeit zu zeigen. In diesem Fall kann ich den Becher als nette Geste sehen und freue mich darüber. Es ist eine Gelegenheit, etwas Gutes zu bekommen, und ich nehme den Becher gern an und bedanke mich herzlich.“
- Frau 4: „Es gibt Menschen, die durch Geschenke wie diesen Cappuccino versuchen Aufmerksamkeit zu erlangen. Es scheint, als ob der Mann Schwierigkeiten hat, Frauen kennenzulernen und sich über diesen Weg bemerkbar machen möchte. Das ist bedauerlich für ihn, aber es betrifft mich nicht direkt. Ich gehe weiter, ohne den Becher anzunehmen.“
Erst wenn man die Gedankengänge differenziert betrachtet, versteht man, weshalb die vier Frauen emotional so unterschiedlich reagieren. Die erste Frau reagiert wütend, weil der Mann in ihren Augen eine ihrer Normen verletzt. Die zweite erleidet durch ihre Ansichten über Schenkungen einen Wertverlust. Die dritte Dame sieht in der Schenkung einen Gewinn und freut sich darüber. Die vierte Dame betrachtet die Schenkung weniger aus der moralischen Sicht und sieht darin einen Nachteil für den Betroffenen. Sie empfindet Mitleid, als sie sich in die „bedauerliche Lage“ des vermeintlichen Singles versetzt.
Veränderung durch Therapie
Die gute Nachricht ist: Konzepte und Denkmuster sind veränderbar. Durch die Integrative Kognitive Verhaltenstherapie können Sie lernen, Ihre Denkmuster zu erkennen, zu hinterfragen und durch gesündere Überzeugungen zu ersetzen. In meiner Praxis begleite ich Sie dabei, Ihre Kognitionen aufzudecken und durch neue, zielführende Konzepte zu verändern. Wir arbeiten gemeinsam an Ihren Zielen und entwickeln maßgeschneiderte Lösungen, um Ihre emotionalen Probleme konstruktiv und langfristig zu lösen.
Quellen:
Stavemann, H. H. (2018b). Im Gefühlsdschungel. Emotionale Krisen verstehen und bewältigen (3. Aufl.). Weinheim: Beltz.
Stavemann, H. H. (2023). Integrative KVT (6. Aufl.). Weinheim: Beltz.