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Vieles von dem, was wir über das Gehirn geglaubt haben zu wissen, ist mittlerweile überholt. Der Mythos „Denkapparat“ erfreut sich vieler neuer Perspektiven und Forschungsansätze. Wir wissen zum Beispiel, dass unser Gehirn sehr wohl in der Lage ist, neue Nervenzellen im Alter zu bilden. „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr“ ist demnach Geschichte.

Diese auch im Alter stattfindende Produktion von Nervenzellen nennt sich „Neurogenese“ und findet im Hippocampus, dem sogenannten „Seepferdchen-Areal“ unserer beiden Hirnhälften statt. Eine echte Wundermaschine, die gerade im Kontext Depression neue, innovative Forschung und Ansätze ins Rollen bringt. Und ganz nebenbei in seiner Erscheinung eine verblüffende Ähnlichkeit zu dem Umriss eines Seepferdchens hat.

Professor Laszlo Seress Foto by: Anthony H. Cole

Neben der Gedächtnisbildung, also dem Formen und Zusammensetzen von Erinnerungen (über uns selbst und unser Leben), ist unser „Seepferdchen“ ebenfalls für das Vergessen von alten, nicht länger relevanter Erinnerungen zuständig. Quasi das Überspielen von schädlichen Gedanken und Glaubenssätzen, die am Ende maßgeblich für unser Stresserleben mitverantwortlich sind. Kommt es hier zu einer Schieflage, können alte, dysfunktionale Erinnerungen nicht mehr gelöscht werden und bleiben im Kopf. Die Grübelschleife nimmt ihren Anfang und findet kein Ende mehr – der perfekte Nährboden für die Entstehung einer Depression.

Neben dem konstanten Anpassen von Erinnerungsfragmenten und dem Aussortieren alter Inhalte, ist unser “Seepferdchen” in Zusammenarbeit mit verschiedenen anderen Hirnarealen für die Steuerung unserer Gefühle zuständig. In Tierstudien konnte bereits nachgewiesen werden, dass die Neubildung von Nervenzellen im Hippocampus entscheidend für die Stressresilienz ist. Die Art und Weise, wie wir mit Stress umgehen (können), hängt daher unter anderem maßgeblich davon ab, wie geschmeidig wir hier aufgestellt sind. Kommt es zu einer Schieflage, entstehen Kommunikationsprobleme mit dem benachbarten Mandelkern (Amygdala), die eine Art Frühwarnsystem für unseren Organismus darstellt. Das Ergebnis: Konstante Alarmsignale, die durch die Schieflage des Hippocampus und seinen schlecht sortierten Gedächtnisinhalten (Erfahrungen, Erlebnisse) nicht mehr aufgeklärt, relativiert und in Folge dessen auch nicht abgestellt werden können. Der Körper steht unter Dauerstress.

Mittlerweile wissen wir, dass anhaltender Stress verschiedene schädliche Reaktionen in unserem Körper anstösst und auf Dauer die Wahrscheinlichkeit (psychisch) zu erkranken immens steigert. 

Geht es um die Diagnose eine der häufigsten psychischen Krankheiten, der Depression, kommt man unter anderem in Berührung mit den Symptomen „Konzentrationsschwierigkeiten“ und „Gedächtnisproblemen“ – klares Spielfeld des Hippocampus. Und tatsächlich lässt sich in bildgebenden Verfahren von an Depression erkrankten Menschen eine Verkleinerung dieses Areals deutlich erkennen – eine der charakteristischsten Gehirnveränderungen überhaupt. Was bedeutet das genau für die Behandlung von Depressionen?

Ein gestärkter Hippocampus steht für ein gesundes Stressmanagement und eine funktionale Emotionsregulation. Um unser “Seepferdchen” geschmeidig zu halten, gibt es jedoch viele verschiedene Ansätze: von Ernährung, über Psychedelika, Antidepressiva und vieles mehr. 

Unser “Seepferdchen” ist daher im komplexen Gesamtbild der Depression lediglich ein Teilstück, das es zu beachten gibt. Was genau bei Depressionen im Gehirn passiert, ist nach wie vor nicht vollumfänglich erforscht. Eine Schieflage im Botenstoffhaushalt (z.B. Serotonin, Noradrenalin, usw.) allein beantwortet längst nicht mehr alle Fragen rund um das Krankheitsbild Depression.

Ein Blick auf das vielfältige Spektrum der Behandlungsansätze und innovative Wege in der Therapieforschung

Grundsätzlich gilt: weder bei den Behandlungsansätzen (z.B. durch Antidepressiva), noch bei der Interpretation einer Depression greift ein Schwarz-Weiss-Prinzip. Man ist nicht entweder betroffen oder bleibt verschont, vielmehr bewegen wir uns alle auf einem Spektrum, einer Skala „von bis“. In der Schlussfolgerung ist es nur plausibel anzunehmen, dass Verfahren, die bei der Behandlung von Depressionen die allgemeine Verfassung verbessern, ebenso bei Menschen greifen, die sich im mittleren oder vorderen Bereich des “Spektrums Depression” befinden, also keine bis kaum feststellbare Verstimmung zeigen. Sport, gesundes Essen und ausreichend Schlaf wirkt sich so zum Beispiel auch bei gesunden Menschen durchwegs positiv aus.

Und auch der Boulder- und Klettersport macht sich in diesem Zusammenhang einen Namen. Die Kursreihe „Bouldern gegen Depressionen“ der Initiative Klettern und Therapie baut auf einer Multicenter Studie des Uniklinikums Erlangen auf, die bereits nachweisen konnte, dass eine manualisierte Bouldertherapie genauso gute und darüber hinaus sogar noch länger anhaltende Erfolge in der Behandlung von Depressionen erzielt, wie die kognitive Verhaltenstherapie. Inwiefern unser “Seepferdchen” davon profitiert, bleibt noch zu klären, die Forschung dazu hat gerade erst begonnen:

In Kooperation mit der katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadtund Klettern und Therapie soll herausgefunden werden, was genau die manualisierte Boulderreihe “Bouldern gegen Depressionen” so erfolgreich macht.

Fazit: In der kontinuierlichen Erforschung und ganzheitlichen Betrachtung des komplexen Zusammenspiels zwischen Körper und Seele öffnen sich Türen zu neuen Ansätzen und Heilungschancen. Die Reise, unser “Seepferdchen” geschmeidig zu halten, ist ein fortwährender Prozess, der nicht nur auf wissenschaftliche Entdeckungen, sondern vor allem auch auf innovative Therapieansätze setzt. In der Hoffnung, dass dieser Paradigmenwechsel uns zu einem tieferen Verständnis gegenüber der Volkskrankheit Depression führt und dazu inspiriert, gemeinsam die Brücken zu einer ganzheitlichen und wirksamen Behandlung zu schlagen.

Quellen: Kratzer, A., Luttenberger, K., Karg-Hefner, N., Weiss, M., Dorscht, L. (2021). Bouldering psychotherapy is effective in enhancing perceived self-efficacy in people with depression: results from a multicenter randomized controlled trial. BMC Psychol 9, 126. https://doi.org/10.1186/s40359-021-00627-1

Frankland, P., Köhler, S., Josselyn, S. (2013). Hippocampal neurogenesis and forgetting. OPINION | Volume 36, Issue 9, P497-503. https://doi.org/10.1016/j.tins.2013.05.002

Anacker, C., Luna, V.M., Stevens, G. et al. Hippocampal neurogenesis confers stress resilience by inhibiting the ventral dentate gyrus. Nature 559, 98–102 (2018). https://doi.org/10.1038/s41586-018-0262-4

Feinstein, J., Adolphs R., Damasio A., Tranel D. (2010) The human amygdala and the induction and experience of fear. https://doi.org/10.1016/j.cub.2010.11.042

Heilpraktikerin für Psychotherapie Dozentin für klinische Psychologie Klettertherapeutin Luftfahrttrainerin Speakerin, Coachin

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