Stellen Sie sich vor, Sie wären Taxifahrer:in. Ein Fahrgast steigt hektisch ein und drängt Sie, sofort loszufahren. Sie fragen nach dem Ziel, doch er weiß nicht, wohin er möchte. Was würden Sie tun? Wahrscheinlich erst einmal stehen bleiben, denn ohne Ziel gibt es keine Richtung – jede Fahrt wäre vergeblich.
Genauso verhält es sich mit dem Beginn einer Therapie: Bevor wir den „Motor“ der Veränderung starten, müssen wir wissen, wohin die Reise gehen soll. Dies ist der zentrale Grund, warum wir in meiner Praxis vor dem eigentlichen Therapieprozess zunächst gemeinsam klare und realistische Ziele erarbeiten. Ziele fungieren als Kompass – ohne diesen riskieren wir, uns zu verlaufen oder in eine falsche Richtung zu bewegen.
Warum sind Ziele in der Therapie so wichtig?
Viele Menschen, die sich für eine Therapie entscheiden, empfinden eine große innere Unruhe oder das Gefühl, in einer Sackgasse festzustecken. Oft besteht der Wunsch nach sofortiger Veränderung, aber die Richtung ist unklar. In solchen Momenten fehlt es an klaren Vorstellungen, wie das eigene Leben anders oder besser aussehen könnte. Doch genau hier setzen wir an: Sinnvolle Veränderung kann nur dann stattfinden, wenn wir wissen, wohin sie führen soll.
Ziele sind die Grundlage für jede erfolgreiche Veränderung. Sie sind eng mit unserer Denkweise und unseren inneren Überzeugungen verbunden. Sie beeinflussen unser Verhalten und unsere Entscheidungen maßgeblich. In der Therapie dient das Setzen von Zielen als Richtschnur, um zu überprüfen, ob unsere Denk- und Verhaltensmuster wirklich zielführend sind. Wenn Ziele unrealistisch oder gar irrational sind, laufen wir Gefahr, in ungesunde Muster zu verfallen.
Was passiert, wenn Ziele irrational sind?
Unrealistische oder irrationale Ziele führen häufig zu emotionalem Stress und Frustration. Klassische Beispiele für solche Ziele könnten sein:
- „Alle müssen mich mögen.“
- „Ich darf niemals einen Fehler machen.“
- „Ich muss es jedem recht machen.“
- „Das Leben muss immer gerecht sein.“
Solche Ziele sind zum Scheitern verurteilt, weil sie auf äußeren, nicht beeinflussbaren Faktoren beruhen. Sie erzeugen einen hohen inneren Druck, der letztlich in Enttäuschung mündet, weil sie unerreichbar sind. In der Therapie geht es deshalb darum, diese Denk- und Verhaltensmuster zu erkennen und durch realistische, umsetzbare Ziele zu ersetzen.
Wie wir gemeinsam realistische Ziele erarbeiten
In meiner Praxis nutzen wir zur Strukturierung der Ziele das bewährte SMART-Modell. Dieses hilft dabei, Ziele so zu formulieren, dass sie klar, erreichbar und motivierend sind. SMART steht für:
- Spezifisch: Das Ziel muss klar und präzise definiert sein.
- Messbar: Es muss erkennbar sein, wann das Ziel erreicht wurde.
- Attraktiv: Das Ziel sollte für Sie persönlich erstrebenswert sein.
- Realistisch: Das Ziel muss machbar sein und darf Sie nicht überfordern.
- Terminiert: Es sollte ein klarer Zeitrahmen für die Zielerreichung festgelegt werden.
Ein konkretes Beispiel: Stellen Sie sich vor, Ihr Ziel lautet: „In der nächsten Sommersaison möchte ich die Zugspitze besteigen.“
- Spezifisch: Es handelt sich nicht um irgendeinen Berg, sondern um die Zugspitze.
- Messbar: Das Ziel ist erreicht, sobald Sie das Gipfelkreuz berührt haben.
- Attraktiv: Sie lieben das Bergsteigen und sehen es als persönliche Herausforderung.
- Realistisch: Mit ausreichend Training und gutem Wetter ist es erreichbar.
- Terminiert: Hier wäre es wichtig, den genauen Zeitraum der Sommersaison zu definieren, um festzulegen, bis wann das Ziel erreicht sein soll.
Dieses Ziel ist nicht nur klar und erreichbar, es unterstützt auch Ihren persönlichen Antrieb und bleibt realistisch. Gemeinsam brechen wir solch ein langfristiges Ziel in kleinere Etappenziele herunter, die Ihnen helfen, auf dem Weg motiviert zu bleiben.
Was sind sinnvolle Ziele in der Psychotherapie?
In der Therapie unterscheiden wir zwischen kurzfristigen Zielen (z. B. „Heute fahre ich zur Hundeschule“) und langfristigen Zielen (z. B. „Ich möchte mich in meinen sozialen Beziehungen sicherer fühlen“). Wichtig ist, dass die Ziele immer selbstbestimmt und umsetzbar sind. Sie sollten sich auf Aspekte konzentrieren, die Sie aus eigener Kraft beeinflussen können, um Enttäuschungen zu vermeiden.
Ein gut formuliertes Ziel widerspricht sich nicht mit anderen Zielen, ist machbar und blockiert keine anderen Lebensbereiche. Es sollte zudem im Einklang mit Ihren Werten und Überzeugungen stehen, um langfristig emotionalen Frieden zu fördern.
FAZIT
Ziele geben unserem Leben Orientierung und machen Veränderung möglich. In der Integrativen Kognitiven Verhaltenstherapie legen wir daher großen Wert darauf, zunächst Ihre persönlichen Ziele zu erarbeiten, bevor wir uns in den therapeutischen Prozess begeben. Denn nur wer weiß, wohin er möchte, kann den richtigen Weg dorthin finden.
Wenn Sie unsicher sind, welche Ziele Sie für sich formulieren möchten oder wie diese erreicht werden können, begleite ich Sie gerne dabei, realistische, persönliche und motivierende Ziele zu entwickeln. So schaffen wir gemeinsam eine solide Grundlage für Ihre therapeutische Reise.
Quellen:
Stavemann, H. H. (2018b). Im Gefühlsdschungel. Emotionale Krisen verstehen und bewältigen (3. Aufl.). Weinheim: Beltz.
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